Plan W:Künstliche Intelligenz für mehr Gleichberechtigung

IRIS BOHNET IN ZUERICH Prof. Dr. Iris Bohnet, Verhaltensökonomin an der Universtität Luzern und Verwaltungsratsmitglied

Iris Bohnet ist Verhaltensökonomin und unter anderem akademische Dekanin der Harvard Kennedy School.

(Foto: Kilian J. Kessler/imago images)

Iris Bohnet erforscht, wie die Arbeitswelt diverser werden kann - und hat einige ganz einfache Vorschläge.

Von Paulina Würminghausen

Wenn Iris Bohnet über ihre Arbeit redet, dann geht es eigentlich fast immer um einen Vorhang, ein Orchester und Gleichberechtigung. Was diese drei Dinge miteinander zu tun haben? Ganz einfach: Seit die Bewerberinnen und Bewerber einiger renommierter amerikanischer Orchester hinter einem Vorhang vorspielen, stellen die Orchester signifikant mehr Frauen ein. Ein simples Stück Stoff hat Frauen zu mehr Gleichberechtigung verholfen, das zeigen Studien. Was ein bisschen nach der Talent-Show "The Voice" klingt, ist ein Beweis dafür: Nicht die Menschen müssen sich ändern, indem Frauen zum Beispiel männlicher auftreten und Hosenanzüge tragen - sondern die Spielregeln.

Dieses Beispiel nennt Iris Bohnet nicht nur in ihrem Buch "What works" aus dem Jahr 2017, sondern auch am Dienstag in Berlin beim "Plan W"-Kongress der SZ. "Die Welt kann nicht nur mit der Hälfte des Talentpools auskommen", sagt die Verhaltensökonomin dort, per Kamera zugeschaltet aus einem Büro mit einer gemütlichen türkisen Sitzecke im Hintergrund. Und man könne auch nicht nur Geld auf das Problem werfen und abwarten, was passiere.

Man merkt, dass Bohnet geübt im Sprechen ist: Sie zitiert verschiedene Studien aus dem Stegreif, antwortet sicher und routiniert, manchmal mit englischen Fachbegriffen gespickt. Zwischendurch entschuldigt sie sich dafür, dass ihr Hochdeutsch etwas eingerostet sei. Kein Wunder, schließlich lebt die gebürtige Schweizerin schon seit vielen Jahren in den USA. Dort fing sie 1998 als Assistenzprofessorin an der Harvard-Universität an, mittlerweile ist sie unter anderem akademische Dekanin der Harvard Kennedy School. Sie konzentriert sich vor allem auf die Verhaltensökonomie. Ihr halbes Berufsleben lang hat sie der Frage gewidmet, wie man etwa mehr Frauen und schwarze Menschen in Führungspositionen bringen kann; sie möchte die Arbeitswelt diverser machen. "Lasst uns systemische Vorurteile mit systemischen Lösungen bekämpfen", so ist ihr Apell an diesem Dienstag in Berlin.

Ihre "systematische Lösung", wie sie es nennt, ist vor allem eine Technologie, die viele nicht unbedingt mit Gleichberechtigung verknüpfen würden: die künstliche Intelligenz. Denn der Vorteil der sogenannten KI sei, dass man die "bias", also die Vorurteile, die viele Menschen bewusst oder unbewusst in ihren Köpfen verankert haben, einfach wegprogrammieren könnte. Dabei sei sie keine blinde Verfechterin dieser Technologie, es würde auch "böse Algorithmen" geben, die den Menschen das Leben sogar schwerer machen. Doch es gebe durchaus nützliche Algorithmen.

Momentan würde sie beispielsweise an einem Empfehlungsschreiben arbeiten, das sie später durch einen Algorithmus gegenchecken ließe. Dieser würde dann überprüfen, ob sie bestimmte Gruppen durch Vorurteile benachteiligen würde, zum Beispiel, indem sie sich bei Frauen vorrangig auf die Charaktereigenschaften statt auf ihre Kompetenzen konzentriere. Auch bei Bewerbungsgesprächen gebe es viele Möglichkeiten, wie man eigene Vorurteile bestimmten Menschen gegenüber unterdrücken könne, sagt Bohnet. Zum Beispiel, indem man allen Bewerbern die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge stelle. Nur dann würde man den Kompetenzen mehr Raum geben. Wann es noch in der Arbeitswelt einen "Vorhang" brauche? Ganz klar bei den Fotos, die hierzulande noch in vielen Bewerbungsmappen fester Bestandteil seien. "Manchmal brauchen wir die Vorhänge, aber in anderen Fällen brauchen wir auch die Vorbilder", sagt die Forscherin.

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