Das Thema Diversität ist ein neuer Dauerbrenner in deutschen Chefetagen. Zum einen suchen die 100 größten deutschen börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen nach talentierten Frauen, um die Quote für Aufsichtsräte von 30 Prozent zu erreichen. Zum anderen ist der Business Case zunehmend offensichtlich. Nur wer von 100 Prozent Talent profitiert, ist heute noch wettbewerbsfähig.
Da schaut man dann auch mal über den Atlantik, mit welchen Programmen die amerikanischen Kollegen die Herausforderung angehen. Immerhin geben US-Unternehmen, wie eine Studie von McKinsey zeigt, 14 Milliarden Dollar im Jahr für „Leadership Development“ – gerade auch für Frauen – aus. Und „Lean In“, das Buch von Facebook-Managerin Sheryl Sandberg, empfiehlt Frauen, sich etwas mehr zuzutrauen, selbstsicherer aufzutreten und auch mal auf den Tisch zu klopfen, wenn die Beförderungsrunde wieder an ihnen vorbeigezogen ist.
Stereotypen überwinden ist schwer
Das ist alles gut so. Nur müssen sich Frauen bewusst sein, dass normative Rollenbilder fest in unseren Köpfen verankert sind – wer sie verletzt, wird dafür bestraft. Nach wie vor erwarten wir von Frauen mehr Kooperationsbereitschaft und Empathie als von Männern und stehen forschen weiblichen Führungspersonen skeptisch gegenüber. In unseren Köpfen ist Führung männlich besetzt. Stereotypen zu überwinden ist unheimlich schwer. Eine deutsche Studie, in der Personalverantwortliche, Manager/-innen und Expert/-innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2014 befragt wurden, kam sogar zum ernüchternden Schluss, dass Frauenförderprogramme daher manchmal mehr schaden als nutzen.
Zur Person
Iris Bohnet ist Harvard-Professorin und Autorin von „What Works: Gender Equality By Design“, das im März 2016 bei Harvard University Press erscheint.
Was also tun?
Das Personalwesen, eine der letzten Hochburgen der Intuition, wird zurzeit im Sturm von „Big Data“ oder, wie dies bei Personalentscheidungen gern genannt wird, „People Analytics“ erobert. Und es ist höchste Zeit.
Was Big Data im Personalwesen kann
Ein Großhandelsunternehmen nutzt für eine interne HR-Analytse Daten und Modelle über Stärken und Schwächen im Management und warum die Leistung der Mitarbeiter in den unterschiedlichen Niederlassungen unterschiedlich ist. Zusammen mit einem Überblick über die Kontrollreichweite der einzelnen Managementeinheiten und den unterschiedlichen Vergütungsvarianten aller Abteilungen und Teams im Unternehmen lässt sich darstellen, wo im Unternehmen sich Talente bewegen. Ob sie das Unternehmen verlassen oder wo die Mobilität der Talente in höhere Positionen gut oder weniger gut ausgeprägt ist. Das gibt der Unternehmensführung Erkenntnisse darüber, wann sie Organisationsprozesse konsolidieren oder erweitern und wann sie neue Führungskräfte fördern oder dort Strukturen reorganisieren sollen.
Quelle: Cornerstone OnDemand
Xerox konnte die eigene Mitarbeiterfluktuationsrate in allen seinen Callcentern um etwa 50 Prozent reduzieren, nachdem es Big Data im Rahmen der Überprüfung der Bewerbungen einsetzte. Das Unternehmen hatte bisher Personen basierend auf deren Praxiserfahrungen eingestellt. Doch die Daten zeigten, dass die Persönlichkeit eine größere Rolle spielt als die Praxiserfahrung. Während kreative Menschen meist für mindestens sechs Monate im Unternehmen bleiben, so dass das Unternehmen wenigstens die Investitionen in deren Ausbildung erwirtschaften kann, verlassen wissbegierige Menschen das Unternehmen.
In einem anderen Unternehmen war das Team der HR Analytiker aus ihrer ursprünglichen Aufgabe, der Personalplanung, herausgewachsen. Nach mehr als drei Jahren Analysen hatte das Team Rekrutierungs-Modelle entwickelt, die in der Lage waren, Arbeitsmarktdaten, Gehaltsdaten und Informationen über Fähigkeiten externer Personen miteinander zu korrelieren, um auf diese Weise lokale Rekrutierungsstrategien in der ganzen Welt zu entwickeln.
Denn: Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen lässt sich eher finden, wenn wir nicht jeden Grashalm einzeln umdrehen müssen, sondern einen kleinen Metalldetektor zu Hilfe nehmen. Zu oft führt uns unsere Intuition auf Abwege, und wir stellen Leute ein, die das gleiche Hobby haben oder denselben Sportverein unterstützen.
Lauren Rivera, eine Soziologin an der Kellogg School of Management in Chicago, befragte Unternehmensberater/-innen, Bankangestellte und Anwält/-innen, auf was sie in einem Bewerbungsgespräch speziell Wert legten. Die überwiegende Mehrheit in allen Berufsgattungen suchen Mitarbeitende, die „passen“. Carlos, ein Anwalt, etwa meinte: „Man schaut sich selbst an, um zu beurteilen, ob jemand passt. Das ist alles, was man zur Verfügung hat.“ So bleiben dann Zahlenmenschen unter Zahlenmenschen, Ingenieure unter Ingenieuren – oder eben Männer unter Männern.