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Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann

Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann

Frau in einer Männerdomäne: Bundesliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus. (Bild: Keystone)

Vor ein paar Jahren betrat ich eine Krippe an meinem Arbeitsplatz an der Harvard University. Ich hielt unseren kleinen Sohn im Arm. Wie Millionen Eltern, die ihr Kind zum ersten Mal in eine Betreuung bringen, machte ich mir sehr viele Gedanken. So ziemlich die erste Betreuungsperson, die mir begegnete, war – ein Mann. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre weggelaufen. Wie konnte ich diesem Mann das Wertvollste anvertrauen, was ich im Leben besass? Er entsprach nicht meiner Erwartung, wie eine liebevolle, aufmerksame,  fürsorgliche Betreuungsperson  auszusehen hatte. Meiner Reaktion lag keine bewusste Überlegung zugrunde, sondern sie kam tief aus meinem Bauch. Verhielt ich mich sexistisch? Ich fürchte, die Antwort lautet ja.

Dem Bauchgefühl zu folgen, kann handfeste Auswirkungen haben. Wir haben dies genauer untersucht: Warum sind Vorurteile so verbreitet und schwer durch Training allein zu überwinden? Wir analysieren Ansätze, die darauf abzielen, durch Diversitätstraining Vorbehalte abzubauen und Frauen zu helfen, sich im System besser zurechtzufinden, im Wettbewerb zu bestehen, entschlossener zu verhandeln und strategisch klüger zu führen. Frauen müssen wissen, wie und wann man «sich reinhängen» soll, wie Sheryl Sandberg es in ihrem Buch so eloquent beschrieben hat. Aber ein Blick auf Initiativen zur Stärkung von Frauen lässt vermuten, dass die Frauen allein es nicht schaffen werden. Verhaltensdesign bietet hier Lösungen.

Ebenfalls vielversprechend sind neue Designs für das Talentmanagement. Im Mittelpunkt steht empirische Evidenz basierend auf Experimenten, aber auch auf der Nutzung von Big Data. Ziemlich neu ist der Einsatz von Big Data im Gebiet von People Analytics, der Analyse von Daten aus dem Personalwesen. Generell argumentiert People Analytics, dass wir zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmter Stellenbewerber die Firma innerhalb des ersten Jahres verlassen wird, besser vorhersagen können, wenn wir untersuchen, welche Merkmale Menschen aufweisen, die bleiben oder gehen, als wenn wir raffinierte Tests und komplizierte Interviews mit den Bewerbenden durchführen. Intuition, informelle Netzwerke und traditionelle Faustregeln durch quantifizierbare Daten und strikte Analyse zu ersetzen, ist ein erster Schritt, um Chancengleichheit herzustellen. Erfolgreiche Unternehmen wie die Credit Suisse, Goldman Sachs, Google, LinkedIn, Microsoft und nicht staatliche Organisationen wie Teach for America führen ihre Personalabteilungen zunehmend so wie ihre Finanz­ oder Marketingabteilungen: auf der Grundlage handfester Daten. Manche sprechen bereits von der «Abteilung People Analytics».

Bilder im Flur beeinflussen uns


Wir haben auch die Umgebungen, in denen Menschen leben, lernen und arbeiten, auf unbeabsichtigte Verzerrungen untersucht. Hängen in den Fluren Ihrer Organisation nur Bilder ehemaliger männlicher Führungspersonen? Dann sollten Sie wissen, dass das Auswirkungen darauf hat, was Mitarbeitende und Studierende für sich selbst als erreichbar ansehen. Stereotype können durch Kleinigkeiten aktiviert werden, zum Beispiel dadurch, dass Testteilnehmer gebeten werden, anzukreuzen, welches Geschlecht sie haben, bevor sie mit einem Test beginnen. Stereotype, die besagen, dass Asiatinnen in Mathematik besser sind als Kaukasierinnen und Mädchen beim Lesen und Schreiben besser abschneiden als Jungen, können zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden – sofern wir nicht darauf achten, Verzerrungen auszuschalten.

Zitiervorschlag: Iris Bohnet (2017). Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann. Die Volkswirtschaft, 25. September.

Der Beitrag basiert auf dem Ende August 2017 im Beck-Verlag auf Deutsch erschienenen Buch «What works: Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann».